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Jürgen Klose
Kennst du Friedrich Schiller?

Ein kreativer Querkopf mit allerlei Flausen scheint Schiller wohl gewesen zu sein, wenn man ihn mal ganz ohne Pathos betrachtet.

Der „Drosteturm“

Der „Drosteturm“

Hermann Multhaupt

Annette von Droste-Hülshof unterhielt zu ihren Verwandten an der Weser zeitweise einen lebhaften Kontakt. Oftmals reiste sie im Gefolge ihrer Mutter und ihrer Schwester Jenny in einer meist zweitägigen Kutschfahrt aus dem Münsterland an, um Onkel und Tanten, Vettern und Cousinen in Bökendorf, auf der Abbenburg, auf der Hinnenburg oder im Schloss Wehrden und auf der Burg Herstelle zu besuchen. Solche Verwandtenbesuche waren jedoch auch anstrengend, denn moderne Reisemöglichkeiten gab es nicht. Manche Entfernungen mussten auch zu Fuß zurückgelegt werden. In manchen Aufzeichnungen gab die Dichterin ihrem Unmut Ausdruck. Dafür entschädigte sie die Bekanntschaft mit Gelehrten und Dichtern jener Zeit, zum Beispiel mit den Brüdern Grimm in Bökendorf, die eifrig dabei waren, mit ihren Gastgebern, den Herren von Haxthausen, Lieder, Märchen und Sagen aus deutschen Landen zusammenzutragen. Annette und vor allem Jenny unterstützten ihre Onkel, wobei die als klug, aber auch als vorwitzig beschriebene Annette manchmal ein Stirnrunzeln bei den Brüdern Grimm hervorgerufen haben soll.

Die verwandtschaftlichen Beziehungen Annette von Droste-Hülshoffs zu ihren Verwandten an der Weser gehen auf ihren Großvater, Freiherr Werner Adolf von Haxthausen (1744–1822), zurück. Er war in erster Ehe mit Luise Freiin von Westphalen zu Heidelbeck (1754–1772) verheiratet. Dieser Ehe entsprang Tochter Therese (1772–1853), die sich 1793 mit dem Freiherrn Clemens August II. von Droste-Hülshoff (1760–1826) verehelichte und vier Jahre darauf eine eigene Tochter, die spätere Dichterin Annette von Droste-Hülshoffs, zur Welt brachte.
Werner Adolf heiratete nach dem Tod seiner Gattin ein zweites Mal: Maria von Wendt-Papenhausen schenkte ihm 14 Kinder, sieben Söhne und sieben Töchter:
Dorothea (1779–1854) heiratete 1800 den Freiherrn Philipp von Wolff-Metternich zu Wehrden. Ferdinande (1781–1851) vermählte sich 1805 mit dem Freiherrn Engelbert von Heeremann-Zydtwik in Herstelle, verwitwete jedoch schon fünf Jahre später. Sie gebar drei Kinder, Maria Anna (1806–1808), Werner (1808–1886) und Amalia (1809–1853). Die zeichnerisch begabte Amalia (Malchen) war mit dem Maler Ludwig Grimm befreundet. 1840 trat sie in den Orden zum Heiligen Herzen Jesu ein und starb 1853 in Graz. Ferdinande hat Annettes dichterische Begabung schon früh erkannt. Franziska von Haxthausen (1793–1879) heiratete 1810 den Grafen Hermann von Bocholtz-Asseburg auf der Hinnenburg. Anna (1801–1877), die jüngste Schwester, wurde 1830 die Gattin des Legationsrates August von Arnswald; er spielte in Jugendjahren mit Heinrich Straube – einem Freund der Brüder Grimm – eine unglückliche Rolle in einem „Komplott“ gegen Annette von Droste-Hülshoff. Sophie (1788–1862) wurde Stiftsdame in Geseke, Caroline (1790–1865) Stiftsdame in Freckenhorst und Ludowine (1795–1872) gründete das „Klösterchen“ in Brakel – heute „die Brede“.

„Hinter dem alten Schlosse Wehrden und der ,Türkenruine` hebt der Wildberg aus luftigen Hügeln, die ihn wie vom Spiel ermüdete Kinder umlagern, seinen stachlichten Sargrücken …“

So beschreibt Annette von Droste-Hülshoff die Weserlandschaft bei Wehrden. Die wechselnden Landstriche des heutigen Kreises Höxter haben die Dichterin bei ihrer Arbeit beflügelt. Manche Ballade ist hier während des Aufenthaltes in Bökendorf bei ihren Verwandten entstanden, eine der schönsten ist „Der Fundator“. Erst recht verdient das „Geistliche Jahr“, eine beachtliche Sammlung religiöser Lieder und Gedichte, Erwähnung, zu der nicht zuletzt Annettes (Stief-)Großmutter Maria-Anna von Haxthausen geb. Wendt-Papenhausen, manche Anregung beitrug.

Schloss Wehrden war ein Lieblingsort der Droste, und der runde Turm ihr bevorzugter Platz. Die Aussicht, die man von ihm genoss, hat sie in poetischer Form beschrieben:

„Das Innere unseres Turmes, den einst Franz Arnold Wolff-Metternich zur Gracht, Fürstbischof von Münster, Paderborn und Corvey, bewohnte, um hier … ein neues Schloss um sich her entstehen zu sehen – ist mit seiner altertümlichen Einrichtung und seiner Aussicht ein höchst poetischer Aufenthalt, dem auch die Weihe durch Sage und Gespensterglauben nicht fehlt. Im Dorfe Wehrden erzählte auch jedes Kind, dass der alte Bischof nächtlich dort bei seiner Studierlampe sitze: Dann sind die Fenster des Turmes alle mit einem blaulichten Lichte umgossen, dass das Gebäude aussieht wie ein großer Leuchtwurm, und je finsterer die Nacht ist, desto heller leuchtet der Turm auf.“

Hier hat sich Annette von Droste-Hülshoff wahrscheinlich geirrt. Der Turm trägt über dem Türsturz die Jahreszahl 1696. Das heißt, der „alte Kirchenfürst“, von dem in der Ballade „Der Fundator“ die Rede ist, war Hermann Werner Freiherr von Wolff-Metternich zu Gracht, Fürstbischof zu Paderborn (er regierte von 1683–1704) und er ließ ab 1696 durch Ambrosius von Oelde das Schloss Wehrden erbauen. Er war zuvor Domherr in Paderborn und Münster sowie Dompropst zu Hildesheim. Er bereiste das Bistum, erneuerte 1686 die Paderborner Agende und hielt 1688 eine Diözesansynode. 1703 wählte das Domkapitel seinen Neffen Franz Arnold (im Amt bis 1718) zum Koadjutor. Das Grab von Hermann Werner befindet sich in einer Seitenkapelle des Paderborner Domes. 

 

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Teaserbild: Schloss Wehrden, Litograpgie aus dem 19. Jahrhundert, Sammlung Duncker, gemeinfrei

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