Eine Sehenswürdigkeit mit dem Prädikat „Weltkulturerbe“ ist natürlich etwas ganz Besonderes. Als die ehemalige Zechenanlage im Jahr 2001 von der UNESCO in ihre Liste der Weltkulturerben aufgenommen wurde, wollte es so manch einer nicht glauben. Eine Industrieruine im sozial benachteiligten Essener Norden stand nun auf Augenhöhe mit den weltberühmten Pyramiden von Gizeh oder dem legendären Stonehenge in Südengland. Und das, obwohl 15 Jahre zuvor noch Bergarbeiter in die Kohleschächte einfuhren.
Die Geschichte von Zollverein begann im Jahr 1834, als der Unternehmer Franz Haniel Probebohrungen durchführen ließ, bei denen man auf ein ertragreiches Kohleflöz stieß. Wenige Jahre später gründete er die Zeche, die nach dem Deutschen Zollverein benannt wurde. Im Jahr 1851 wurde dann die erste Kohle an die Erdoberfläche gefördert. Im Laufe der Zeit folgten mehrere Schächte im heutigen Essener Nordosten. Das heutige Wahrzeichen der Zeche, das Doppelbock-Fördergerüst, entstand erst im Jahr 1930. Es wurde über Schacht 12 errichtet und erhielt die Funktion einer zentralen Förderanlage. Mit Schacht 12, eigentlich in römischer Schreibweise XII, nahm die Fördertätigkeit auf Zollverein deutlich zu und es waren bis zu 7.000 Menschen auf dem Areal beschäftigt. Diese lebten mit ihren Familien häufig in unmittelbarer Umgebung in ihren klassischen Zechenhäusern. Zollverein war also nicht nur ein Arbeitsplatz oder Industriestandort, sondern Lebensmittelpunkt und prägte den Stadtteil Stoppenberg und seine Umgebung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Industriekomplex in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Bau der Kokerei Zollverein erweitert, die 1961 ihren Betrieb aufnahm und als modernste Kokerei der Welt galt. Doch das Zechensterben machte auch vor Zollverein nicht Halt. Am Tag vor dem Heiligen Abend im Jahr 1986 war Schicht im Schacht und die Zeche wurde stillgelegt.
Sieben Jahre später folgte die Kokerei. Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen und Umbauten ließen in den 1990er-Jahren ein Industriedenkmal entstehen, das schließlich mit dem eingangs erwähnten Titel geadelt wurde. Zahlreiche Kreativorte und Sehenswürdigkeiten siedelten sich auf dem weitläufigen Gelände an. Im einstigen Kesselhaus zog schon sehr früh das „Red Dot Design Museum“ ein, in dem Exponate des Design-Awards zu sehen sind. Im Niederdruckkompressorenhaus wird heute mit gehobenen Ansprüchen gespeist und das einstige Ruhrlandmuseum gab seinen Sitz im Essener Süden auf, um im Jahr 2010 als „Ruhr Museum“ in die einstige Kohlenwäsche einzuziehen. Erreicht wird dieses, zusammen mit dem dort ebenfalls eingerichteten „RUHR.VISITORCENTER“, über die längste Rolltreppe Deutschlands, die mit ihrer hell orangefarbenen Beleuchtung an glühende Kohlen erinnert. Nicht zuletzt durch den Welterbetitel, aber auch durch die vielen Freizeitmöglichkeiten auf dem Gelände, ist wieder Leben auf Zollverein eingekehrt, das durch zahlreiche Veranstaltungen unterstrichen wird. Aus dem dreckigen Industriekomplex wurde ein strahlendes Wahrzeichen der Region.
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Aus: RUHRGEBIET. Die 99 besonderen Seiten der Region, entdeckt von Michael Moll, mitteldeutscher verlag 2015, S. 21-23. Mit freundlicher Genehmigung des mdv.